Viele Immobilienunternehmen bleiben in der digitalen Transformation weit hinter ihren eigenen Erwartungen zurück. Das belegt die aktuelle Studie „Transform to Succeed“ des Instituts für Immobilienwirtschaft und -management (IIWM) der Technischen Hochschule Aschaffenburg und des auf Bau und Immobilien spezialisierten Beratungsunternehmens Drees & Sommer SE. Grundlage war eine Befragung von insgesamt 155 Führungs- und Fachkräften der Branche. Das zentrale Ergebnis der Studie: In der Immobilienwirtschaft gibt es besonders auf Führungsebene in vielen Unternehmen eine Verzerrung zwischen der eigenen Einschätzung des digitalen Reifegrads und inwieweit digitale Anwendungen im Bereich Datenmanagement, Datenanalyse oder Prozessautomatisierung tatsächlich zum Einsatz kommen. In Sachen Digitalisierung halten zudem jüngere Fachkräfte ihre Unternehmen für deutlich weniger fortgeschritten als ältere Teilnehmende mit Führungsposition.
Noch ist die Zurückhaltung bei der Integration von Künstlicher Intelligenz, Internet der Dinge (IoT), Blockchain und Augmented Realitiy in der Immobilienwirtschaft hoch: 60 Prozent der für die Studie Befragten verzichten bislang ganz auf diese Technologien. Gerade einmal ein Viertel nutzt im Unternehmensalltag Verfahren wie Predictive Analytics und damit digitale Verfahren, um Muster in großen Datenmengen zu identifizieren und zukünftige Ergebnisse vorherzusagen. Business-Intelligence-Tools kommen nur bei einem Drittel zur Anwendung. Bei 39 Prozent fehlen messbare Ziele für die digitale Transformation völlig. Eine klar formulierte und kommunizierte Digitalstrategie des Arbeitgebers ist sogar mindestens der Hälfte der Teilnehmenden unbekannt. Im starken Kontrast zu diesen Ergebnissen stehen die hohen Zustimmungswerte zu folgenden Aussagen: 64 Prozent sehen sich von der Unternehmenskultur zu lebenslangem Lernen ermutigt. 55 Prozent schätzen die optimale Unterstützung durch ihre IT-Infrastruktur. Für knapp die Hälfte stehen die digitalen Fähigkeiten der Mitarbeitenden außer Frage.
Dr. Verena Rock, Professorin und Studiengangleiterin für „Digitales Immobilienmanagement“ an der Technischen Hochschule Aschaffenburg, zufolge sprechen viele Teilnehmende zwar gerne von Innovationen, Ökosystemen und einer hohen Diversifikation der Geschäftsmodelle. Doch bei genauerem Nachhaken zeige sich: „Was die technologische Infrastruktur, Datenanalyse und Datenmanagement sowie Prozessdigitalisierung und -automatisierung angeht, sind bislang nur wenige Unternehmen der Immobilienbranche sehr gut aufgestellt“, so die Immobilienexpertin.
Gemeinsam für die Studie entwickelten Prof. Dr. Verena Rock und ein Drees & Sommer-Projektteam ein digitales Reifegradmodell und werteten dieses aus. Das Modell gibt anhand der drei Dimensionen Strategie, Digitalisierung und Transformation Aufschluss darüber, wie weit die digitale Transformation in den verschiedenen Bereichen eines Unternehmens schon vorangeschritten ist. Als Grundlage diente eine quantitative Befragung von 155 Fach- und Führungskräften aus der Immobilienwirtschaft. Zu je etwa einem Drittel sind die Befragten der Geschäftsführungs-, Team- und Bereichsleitungs- oder Fachexpertenebene zugehörig mit einer ausgewogen verteilten Altersstruktur. Die Teilnehmenden verteilen sich breit über die Wertschöpfungsstufen der Bau- und Immobilienwirtschaft.
Insgesamt erreicht die Branche ein Reifegrad-Scoring von 3,37 aus 5 möglichen Punkten. Einzeln aufgegliedert weist dabei die Kategorie Transformation mit einem Score von 4,44 einen vergleichsweise hohen Wert auf, die Bereiche Strategie (3,0) und Digitalisierung (2,67) landen hingegen nur im Mittelfeld. Insbesondere im Detailfaktor Datenmanagement und -analyse, aber auch bei der Entwicklung digitaler Innovationen und neuer Geschäftsmodelle zeigt das Scoring Nachholbedarf bei vielen Unternehmen auf.
„In den befragten Teilgruppen ergeben sich interessante Unterschiede. So bescheinigen ältere Mitarbeitende und Führungskräfte ihren Unternehmen im Schnitt einen deutlich höheren Reifegrad als es jüngere Mitarbeitende und Fachkräfte tun“, erläutert Verena Rock. Das lege nahe, dass Führungskräfte den Stand der Digitalisierung in ihren Unternehmen überschätzten – möglicherweise im Glauben daran, das Thema strategisch bereits gut aufgegriffen zu haben. Gleichzeitig sind Führungskräfte durchaus selbstkritisch: Sie hinterfragen die eigene Rolle und geben mangelndes Digital Leadership, falsche Priorisierung im Management und fehlendes Commitment der Führungsetage als wichtigste Gründe für die stockende Digitalisierung an.
Vor die Frage gestellt, warum es darüber hinaus nicht vorangeht, nennen die Befragten vor allem Mentalitäts- und Kulturfragen: Für rund ein Viertel sind diese der entscheidende Grund, der die digitale Entwicklung behindert. Jeder Fünfte stellt eine generelle Widerstandshaltung gegenüber Veränderungen im Unternehmen fest. Aber auch organisatorische und strategische Hindernisse (18 Prozent) sowie technologische und prozessuale Barrieren (14 Prozent) stehen dem digitalen Wandel im Weg.
Die Studie kann hier heruntergeladen werden: https://www.dreso.com/de/transform-to-succeed-digitalisierungsstudie-2024