Du warst der erste Doktorand an der TH AB und hast deine Promotion 2013 erfolgreich abgeschlossen. Heute bist du in einem Pharmaunternehmen tätig. Wie sieht dein Arbeitsalltag aus und wie profitierst du von deinem wissenschaftlichem Background?
Das Umfeld hier ist extrem dynamisch. Ich leite einen Bereich, der in etwa einem Industrial Engineering entspricht und bin mit meinem Team für die Themen Projektmanagement, Kapazitätsmanagement, GMP Dokumentation und Compliance, Trainingsmanagement sowie Arbeits- und Umweltschutz verantwortlich — das ist sehr interdisziplinär und abwechslungsreich und schließt die Beschreibung “Alltag” fast gänzlich aus. Ich habe echte Spezialisten im Team und es gibt dennoch einen sehr hohen Grad an Kreativität vor allem für die Lean and Performance Fragestellungen. Aufgrund der Dynamik ist es wichtig komplexe Zusammenhänge schnell zu erfassen und Lösungsstrategien zu entwickeln. Die Erfahrungen aus der Promotion sind dabei unheimlich hilfreich.
Tatsächlich war ich kürzlich für einige Monate an der HTW Berlin als Lehrbeauftragter tätig; Mein “altes” Forschungsgebiet verfolge ich nach wie vor, leiste aber keinen aktiven Beitrag in Form von Veröffentlichungen. Manchmal werde ich noch zu Vorträgen eingeladen, die ich dann aber eher “populärwissenschaftlich” gestalte.
Grundlage war definitiv das sehr praxisorientierte Masterstudium in Aschaffenburg. Es gab Raum für den Aufbau von Kontakten und Netzwerken sowie die Entwicklung neuer Ideen und Technologien. Bei einem Vortrag hatte ich meinen späteren Doktorvater Prof. Paul Layer von der TU Darmstadt kennengelernt und ihm unsere Technik der extrazellulären Ableitung mit Mikrochips vorgestellt. Prof. Christiane Thielemann hat mich dabei von Anfang an unterstützt und wir realisierten einen gemeinsamen Forschungsantrag beim BMBF, der dann auch die Finanzierung des Promotionsvorhabens sicherstellte.
„Wir konnten zeigen, dass Forschung und Ethik sich nicht gegenseitig ausschließen müssen: Mit unseren Biosensoren können eine ganze Reihe von Fragestellungen ohne Tierversuche adressiert werden. Und ein aktueller Blick ins BioMEMS Labor zeigt, dass die Forschung weitergeht.“
Ich habe einen ganz besonderen Abschnitt meines Lebens an der (Fach-)Hochschule Aschaffenburg mit wunderbaren Menschen — Kommilitonen, Kollegen, Mitarbeitern, Professoren — um mich herum verbracht. Der größte Moment war für mich definitiv die überwältigende Überraschungsfeier im Hock-Saal nach der Promotionsprüfung mit “Doktorwagen-Jungfern-Fahrt” über den Campus. Ich denke aber auch gerne an die wissenschaftlichen Meilensteine und Erfolge zurück wie z.B. die ersten Signale von Nervenzellen, die wir mit unseren Mikrochips messen konnten, die ersten Veröffentlichungen in Fachjournalen oder die Auszeichnung mit dem Tierschutzforschungspreis im Hessischen Landtag.
Was bedeutete der Tierschutzforschungspreis für deine Arbeiten? Schließlich löste die Auszeichnung auch ordentliches Medieninteresse aus.
Zunächst war es eine Bestätigung, dass Forschung und Ethik sich nicht gegenseitig ausschließen müssen: Mit unseren Biosensoren können eine ganze Reihe von Fragestellungen ohne Tierversuche adressiert werden. Und ein aktueller Blick ins BioMEMS Labor zeigt, dass die Forschung weitergeht. Man ist hier inzwischen auf humane stammzellabgeleitete Zellen umgestiegen und konnte das Modellsystem damit weiter präzisieren. Das damalige Medieninteresse stärkte sicherlich die Außendarstellung, unterstützte uns aber auch bei dem Ausbau unseres Netzwerkes.
Während deiner Promotionsphase hast du auch persönlich viele Glücksmomente erlebt, daneben die wissenschaftlichen Erfolge. Gab es dennoch Momente in denen du "alles hinwerfen" wolltest?
Selbstverständlich gibt es bei einer Promotion Rückschläge und Sackgassen, Aufgeben kam aber gar nicht in Frage — zu keinem Zeitpunkt! Ich denke, dass das Bewältigen von Krisenzeiten sogar zu den wichtigsten Erfahrungen und persönlichkeitsbildenden Phasen einer Promotion gehören. Ich hatte mit meinen „Doktoreltern“ Prof. Christiane Thielemann und Prof. Paul Layer sowohl fachlich als auch methodisch einen unheimliche Unterstützung; meine Frau hielt (und hält) mir immer den Rücken frei. Dieser Rückhalt war unheimlich wichtig, gerade als der Tag der Promotionsprüfung näher rückte.
Das muss man sehr differenziert und individuell betrachten: Jeder hat sein eigenes Päckchen an Motivatoren für einen Weg in die Promotion. Diese Motivatoren sollte man sich genau anschauen und dann eine persönliche Entscheidung treffen. Essenziell ist auf alle Fälle der Aufbau eines soliden Netzwerkes, das dann auch während der Promotion fachlichen und methodischen Halt geben kann.
Selbstverständlich denke ich sehr gerne an die Zeit zurück. Egal ob wissenschaftliche Arbeit, Gremienarbeit, Lehre… aber auch die vielen Partys, die ich mit meinen Kommilitonen gefeiert habe :-) — mir hat es stets große Freude bereitet, Teil der Hochschule zu sein. Darauf bin ich sehr stolz.
Foto oben rechts: Medienhaus Main-Echo | Victoria Schilde 2012